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Wie wäre es, wenn…?
Was am Spieleerfinden immer wieder faszinierend ist, sind die kleinen Details. Details, die aus einem mittelmäßigen Spiel plötzlich ein gutes machen, oder aus einem guten ein außerordentliches. Details, die man oftmals sucht und sucht und einfach nicht findet. Man weiß, dass „es“ da ist, aber man sieht es einfach nicht, wie den berühmten Wald vor lauter Bäumen. Sehr hilfreich ist dann mitunter die Frage „Wie wäre es, wenn…?“, also die Einnahme eines anderen Blickwinkels.
So war es auch im Fall von Blanco.
Rückblick: Vor etwas mehr als zwanzig Jahren trat ein Kartenspielgenre seinen Siegeszug durch die Spieleregale an – die so genannten Golf-Variationen. Golf ist ein klassisches Spielprinzip, das man mit herkömmlichen Rommeekarten spielt und das vor allem in den USA überaus populär ist. Es gibt zahllose Varianten. Allen gemein ist das verdeckte Kartenraster, das nach und nach aufgedeckt wird, wobei man versucht, die eigene Punktzahl immer mehr zu reduzieren. Am Ende wird das Raster dann abgerechnet. Eine sehr interessante Zusammenfassung der klassischen Golf-Varianten findet sich hier: https://www.pagat.com/draw/golf.html
Die erste an Golf angelehnte Veröffentlichung war hierzulande 2002 wohl Biberbande von Amigo, vorher als rat-a-tat CAT in den USA erschienen. Einige Jahre später folgten dann Cabo, Skyjo, Hilo, Allegra, Zebra und Allegra Grande. Auf dem internationalen Markt gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Titel.
Angelehnt ans Golf-Prinzip:
Karten werden offen in ein verdecktes Raster gelegt. Ich bin mir sicher, dass die allermeisten Autoren schon mal versucht waren, auch etwas in diesem Genre zu kreieren. So war es auch bei mir. Einfach sollte es sein, fluffig, eben für jedermann, aber trotzdem viele Möglichkeiten bieten. Tja, ich muss es zugeben, es hatte nur mäßigen Erfolg. Sonderkarten, Doppelzüge, im Raster der anderen etwas verändern, spezielle Punktekarten – es war nicht überzeugend. Zu zäh, zu unspannend, zu kompliziert, zu ähnlich wie. Es war lange Zeit frustrierend. Bis ich mich dann fragte…
Wie wäre es, wenn… es überhaupt keine Siegpunkte gäbe?
Wie wäre es, wenn… es schlicht und einfach darum geht, das eigene Raster als Erster abzuräumen?
Ein lupenreines Wettrennen also.
Und zack – das war’s! Der Durchbruch. Eines führte rasch zum anderen. Die spielmechanische Lösung, die die Reihen verschwinden lässt, fand sich im Zerteilen des Abräumens in senkrecht und waagerecht. Senkrecht räumt man ausschließlich mit gleichen (Blitz)Farben ab, waagerecht mit gleichen Zahlen.
Eine Kettenreaktion:
Erst waagerecht abräumen!
Gleiche Zahlen.
Dann senkrecht abräumen!
Gleiche Blitzfarben.
Aus einem einzigen Raster wurden schließlich zwei. Zuerst ein kleines, 3×3, die Vorspeise, um in Fahrt zu kommen, dann ein größeres, 4×3, das Hauptgericht. Ein befreundeter Autor sagte beim Testspielen: „Es ist faszinierend zu sehen, wie sich alles, was am Anfang ausliegt, am Ende in Luft aufgelöst hat.“ Genau so ist es. Reihe für Reihe wird abgeräumt. Man hat ständig Erfolgserlebnisse.
Und es bleibt dabei immer spannend bis zum Schluss. Da Kettenreaktionen besonders belohnt werden, kann man urplötzlich noch mal ein bisschen Gas geben und aufholen – bis dann schließlich alles absolut blanco ist.

Blanco
von Roberto Staupe
2 – 5 Personen ab 8 Jahren
Spieldauer ca. 20 Minuten
Illustrationen: Oliver Freudenreich
120 Spielkarten, 1 Spielanleitung
Darf‘s noch etwas Klassisches sein?
Auch Steffen Benndorf greift, gemeinsam mit seinem Sohn Florian, in seinem neuen Werk ein klassisches Spielprinzip auf – eines aus der Frühzeit der Computer. Der eine oder andere erinnert sich vielleicht noch an das gute alte Snake, bei dem man mit der Tastatur eine Schlange über den Monitor steuern musste. Die Schlange wurde mit der Zeit immer länger und der zur Verfügung stehende Platz immer eingeschränkter. Genau darum geht es auch bei Linyo, nur vierfach sozusagen. Die Entwicklung von Linyo war in doppelter Hinsicht besonders. Zum einen ist es das erste Spiel, bei dem die Grundidee nicht vom Papa, sondern von Florian stammt. So ging es bei der Spielentwicklung dann auch darum, den Entwurf des Sohnes zu perfektionieren, ohne dabei die Grundidee zu sehr zu verändern. Es dauerte einige Wochen, dann war Linyo (eigentlich) fertig. Ein wirklich feines Spielchen! Einfach zu erklären, aber schwierig zu meistern. Wie schafft man es, mit seinen 4 Schlangen das Spielfeld optimal zu füllen und dabei den Mitspielern die verschiedenen Bonuspunkte vor der Nase wegzuschnappen? Eine reizvolle Aufgabe, die auch den Autoren immer wieder großen Spaß machte. Doch dann kam ein bitteres (und äußerst überraschendes) Erwachen.
Es war nicht etwa so, dass das Spiel zu schwer war oder zu viel Material benötigte. Ganz im Gegenteil, der Ablauf war sofort eingängig und die Spielregel eine der kürzeren im Kendi-Programm. Allerdings funktionierte das Spiel ganz häufig nur dann, wenn gleichstarke Spieler miteinander spielten! Sobald erfahrene Spieler gegen Neulinge antraten, geriet das Spiel gerne mal aus seiner Balance.
Kurioserweise waren es dabei nicht die erfahrenen Spieler, die das Spiel problemlos dominierten, sondern die Spielweise der Neulinge führte zu Situationen, in denen die Profis chancenlos waren. Unter geübten Spielern konnte man nur gewinnen, indem man gut vorausplante und die vorhandenen Würfelergebnisse strategisch optimal ausnutzte. Doch Linyo-Neulinge schauten nicht auf langfristige Optimierung. Sie waren vollauf damit beschäftigt, sich auf den eigenen Pfaden nicht zu verirren – und so endete eine Partie mitunter schneller, als einem Profi lieb sein konnte.
Profis hatten eigentlich nur dann eine Chance, wenn sie die Spielweise der Neulinge kopierten und eben nicht auf optimale Ausnutzung des gesamten Spielfeldes abzielten – was jedoch die Grundidee des Spiels praktisch auf den Kopf stellte. Wie unbefriedigend und enttäuschend! Also musste etwas verändert werden.
Die Lösung lag, wie so oft, in einer konsequenten Reduzierung auf des Wesentliche – versehen mit einem klitzekleinen zusätzlichen Pfiff. Weg von vielen Punkten für optimierte Wege, hin zur einfachst möglichen Wertung. Es gewinnt nun derjenige Spieler, der die meisten Felder erreicht hat. Fertig!
Und anstelle von Bonuspunkten gibt es nun hin und wieder eine kleine Belohnung in Form eines geschenkten Feldes, falls der eigene Zug auf einem Stern endet. Zunehmende Spielerfahrung sorgt so zwar für bessere Ergebnisse, aber stets ohne Neulinge dabei zu deklassieren. Und wenn Neulinge wieder mal ein vorzeitiges Ende herbeiführen, wirft es nicht alles über den Haufen.
Großartig! So macht es Spaß und funktioniert immer! Ein Spiel für wirklich jedermann – genau so wie ein ideales Kendi-Spiel sein muss!

Linyo
von Florian und Steffen Benndorf
2 – 6 Personen ab 8 Jahren
Spieldauer ca. 15 Minuten
Illustrationen: Christian Opperer
1 Spielblock, 4 Würfel, 4 Stifte
1 Spielanleitung




