Review: „Irreversible (Bluray)“


Titel: Irreversible (Kinofassung & Straight Cut)
Format: Bluray
Release: 10.12.2020
FSK: 18
Bild: 2,35:1 (1080/25p Full HD)
Audio: dt., frz.: 5.1 DTS-HD MA
Lauflänge: 93min. (Kinofassung), 86min. (Straight Cut)
Cast: Monica Bellucci, Vincent Cassel, Albert Dupontel, Jo Prestia, Philippe Nahon, Stéphane Drouot, Jean-Louis Costes, Mourad Khima
Regie: Gaspar Noé
Extras: Untertitel, Audiokommentare, Featurettes
Publisher: EuroVideo Medien GmbH
IMDB: https://www.imdb.com/title/tt0290673/?ref_=fn_al_tt_1
OFDB: https://ssl.ofdb.de/film/22953,Irreversibel

Fazit Film:
Der Skandal-Film aus den Anfang 2000ern (Frankreich 2002, Cannes-Filmfestspiele) wird nun endlich auf ein vermarktbares Medium gepresst, nach jahrelangem hin und her und Terminverschiebereien. Und da der Regisseur selbst so begeistert von seinem Werk ist, kommt es gleich in zwei Fassungen auf DVD und Bluray heraus, dem Original Kinoschnitt (nun auch als Directors Cut bekannt) und dem sogenannten „Straight Cut“. Dieser erzählt die Geschichte um ein Pärchen, welches sich streitet, am selben Abend getrennter Wege geht und die Frau schliesslich in einer Unterführung brutal vergewaltigt wird, woraufhin der Mann auf Rachefeldzug geht, gerade heraus bzw. richtig herum. Damit wird das Besondere am Original quasi hintergangen, aber das Produktionsteam um Gaspar Noé herum liess sich vom Vater des geistigen Filmkindes überzeugen, dass der Film so genauso erfolgreich wäre und die Leistung der Schauspieler besser zum Tragen käme.

Herausgekommen ist aber ein „normaler“ (wenn man es so definieren kann, bei dem heiklen, wie brutalen Thema) Rape-and-Revenge-Film, wie in dem Genre hinlänglich bekannt und es vom Produktiosniveau her „bessere“ Filme gibt (s. „I spit on your grave“, „Revenge“, „The Nightingale“). Aber sei es dem Herrn Regisseur gegönnt, immerhin kommt so die Originalfassung mit ins heimische Kino.
Das besondere Merkmal des Films war es nämlich, dass die ganze Geschichte rückwärts erzählt wird, so beginnt der Film, sogar mit dem Abspann, dann folgt sehr bald – für den Zuschauer da noch unverständlich – die Hetzjagd eines Mannes mit Kumpel nach einer Person, die offenbar etwas Schlimmes getan hat und nach und nach nähert sich der Handlungsstrang schliesslich der Tat, um die es geht, der Vergewaltigung der Lebenspartnerin des rachsüchtigen, fast wahnsinnigen Mannes und dem brutalen Zusammenschlagen ihres Körpers, so dass sie später komatös von der Polizei aufgefunden wird. Hier klärt sich dann auch für den Zuschauer, was „los ist“, allerdings sind dann schon die Rache-Aktionen passé und es geht weiter rückwärts, wie der Abend zuvor verlief. Da erfährt man um die Beziehung der drei Hauptdarsteller zueinander, dem Beziehungsgrad des im Vordergrund stehenden Paares und der tragischen Erkenntnis, dass Madame auch noch schwanger war.

So wird der Leinwand-Betrachter nicht nur anfänglich mit extremer Gewalt (und dabei aufwendig produzierten Effekten) überschüttet, um anschliessend im Unklaren gelassen zu werden, sondern auch beim Durchstehen der Geschichte letztendlich nochmals mit der Unerträglichkeit konfrontiert, dass die Zeit alles zerstört (Hauptthema des Films, welches auch stilistisch aufgezeigt (eingeblendet) wird) und nichts unumkehrbar ist. Wenn doch nur der Verlauf bekannt gewesen wäre, was hätten sich die Darsteller alles an Leid sparen können, aber so ist es eben im Leben, so kann es kommen, die pure Brutalität, welche das Mensch-Sein, nach Aussage der Beteiligten, mit grossen Teilen ausmacht.

Filmisch wird das ganze auch noch entsprechend unbequem über den Bildschirm projeziert, denn es werden viele Sounduntermalungen genutzt, die Unbehagen provozieren und die Kameraführung ist sehr eigenwillig. So werden die Bilder nicht nur für die Zeitabschnittsübergänge wie wild gedreht, sondern gerne auch an Stellen, die besonders unschön dargestellt werden wollen – wie die anfängliche Suche nach dem Täter im Schwulen-Club „Rektum“, bei der der Racheheld deutlich sein Unbehagen preisgibt und die Kamera und die Lichttechnik ihm dies sehr anprangert.
Überhaupt lebt der Film in seiner brutalen Besonderheit eben von der Memento-Erzählweise und den eingesetzten Filmtechniken, ohne diese (s. „Straight Cut“) geht quasi alles davon verloren. Aber dies ist vielleicht tatsächlich gar nicht so schlecht, denn so erfährt der Zuschauer, wie abgestumpft ein „normal produzierter“ Film des Genres heutzutage schon auf einen wirkt und durch die besondere Erzählart kann aufgezeigt werden, wie schrecklich das Geschehen doch eigentlich ist.
Somit machen doch beide Schnittfassungen Sinn, wenn sich der Käufer des Films soweit für die „Idee“ der Produktion interessieren und das ganze (mit) hinterfragen mag.

Nach wie vor ein krasser Film, bei dem sicher der ein oder andere, nicht unberechtigt, sagen kann: „was ein Sch**ss“, wenn nur die kurze Story betrachtet wird. Aber sobald etwas in die Tiefe geschaut wird, entfaltet sich enormes Diskussionspotential. Ein Film der polarisiert, keine Frage. Ein Film, der nicht unbedingt hätte sein müssen. Aber ein Film der schockt und aufweckt und vielleicht (auch ungewollt) mehr darstellt, als ihm zunächst angesehen wird – auch hier können einige sicherlich sagen: alles künstlerischer Trug, nur Alibi um einen brutalen Film finanziert zu bekommen. Da sprechen dann aber die beteiligten Personen dagegen, denn die durch die Bank weg bekannte Riege (zumindest in Frankreich) würde sich nicht „für irgendeinen Sch**ss“ hergeben!
Man muss aber natürlich wissen, was Gaspar Noé für ein schräger Filmemacher ist und sich dann auf das Thema entsprechend einlassen (können/wollen).

Fazit Technik:
Technisch ist die Bluray recht normal umgesetzt. Ein vornehmlich körniges Bild begleitet den Zuseher, welches aber durch die 16mm – Aufnahmen des Regisseurs so gewollt ist und der Soundtrack ordnet sich dem Bildgeschehen meist unter. Bis auf die Effekte, welche für Inhalts- bzw. Zeitübergänge genutzt werden, da gibt es sehr vorherrschende Soundschnipsel zu hören, welche das Unwohlsein unterstützen sollen – es wird auch von dem speziellen „Dröhnen“ Gebrauch gemacht, dass das Zwerchfell des Menschen negativ stimulieren und so für Unbehagen sorgen soll (ein probates Mittel, was sich häufig auch in Horrorfilmen wiederfindet).
Die recht interessanten Extras, nämlich die Featurettes „Die umkehrbare Reise“ und „Die Spezialeffekte“ sowie die Audiokommentare von Gaspar Noé und dem Filmwissenschaftler Prof. Dr. Marcus Stiglegger sind auf jeden Fall sehens-/hörenswert, erfährt der geneigte Zuschauer doch mehr über die Hintergründe zur Entstehung und gewollten Wirkung des Films.
Der Publisher macht mit der Produktion (Pressung, Cover, Artwork, Trailer-Schnitt, etc.) an sich alles richtig.

Wertung: 4.5 von 6

Screenshots:

Trailer:

 
genutzte Hardware:
– TV: Samsung TV UE32K5579SUXZG (32 Zoll, Full HD), Bluray-Player SONY BDP-s1700 Smart icos
– PC Desktop: Intel Core i7 8700K; nVidia GTX 1070; Bluray-Player Leawo, inkl. Player-Software Version: V2.2.0.1; Windows 10 (64bit); Philips BDM4037UW/00 40″ Monitor (3840×2160)

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